Seit Wochen sorgt die sogenannte Projektwerkstatt in Karben bei Frankfurt für Aufruhr und ein enormes lokales Presseecho. Ein neugegründetes Bürgerbündnis probt den Widerstand gegen das von der Frankfurter Rundschau als „Neonazinest“ bezeichnete Zentrum, selbiges wiederum erhält Unterstützung aus beinahe allen Teilen der örtlichen Rechten. Doch der Begriff des „Neonazinestes“ führt in die Irre und verschließt den Blick für die Auseinandersetzung mit einem rechten Milieu, das sich wesentlich komplexer darstellt als altbekannte NPD-Strukturen und Freie Kameradschaften.
Die Projektwerkstatt Karben
Seit dem 11. Mai 2013 besteht die Projektwerkstatt in Karben in einem Wohnhaus an der Hauptstraße, durch große Schaufenster gut für die Bevölkerung einsehbar. In dem Zentrum, das nach eigener Aussage als „Treffpunkt, Werkstatt und Plattform für politisch und gesellschaftlich Engagierte“ dienen soll, findet sich sowohl Aufklebermaterial der Identitären als auch rechte Literatur aus dem KOPP-Verlag und vom Institut für Staatspolitik (IfS). Laut einer Veröffentlichung von Achim Sommerbach auf dem Blog der neurechten Zeitschrift Blaue Narzisse fand die Gründung der Projektwerkstatt in Zusammenarbeit der Identitären Rhein-Main mit dem IfS statt.
Bei den Räumlichkeiten in Karben handelt es sich um das Eigentum des Vorsitzenden des IfS, Andreas Lichert. Dienten die Räume noch bis vor kurzem der Präsentation von Kellerkraftwerken der Lichert GmbH, so stehen diese nun der politischen Arbeit der Projektwerkstatt zur Verfügung.
Das Institut für Staatspolitik (IfS)
Beim IfS handelt es sich um eine Organisation der neuen Rechten, die sich das Vorantreiben rechter Diskurse auf die Fahnen geschrieben hat. Die aus dem Dunstkreis der rechten Zeitung Junge Freiheit entstandene, seit 2000 bestehende Organisation veranstaltet Tagungen, Vorträge und bringt die Zeitschrift Sezession heraus. Das Institut um den rechten Publizisten Götz Kubitschek stellt sich als Sammelbecken der intellektuellen Rechten dar. Auf Veranstaltungen des IfS finden sich sowohl rechte CDU Mitglieder wie Arnulf Baring als auch NPDler wie Arne Schimmer, Mitglied des sächsischen Landtag für die NPD und Deutscher Burschenschafter.
Doch auch der Versuch politischer Aktionen wurde von Teilen des IfS immer wieder gewagt. So rief Götz Kubitschek 2007 die konservativ-subversive Aktion ins Leben, welche unter anderem versuchte eine Lesung von Günther Grass zu stören.
Die „Identitäre Bewegung“
Diese Suche nach neuen politischen Aktionsformen und einer gesteigerten Attraktivität könnte, neben ideologischen Überschneidungen, mit ein Grund für die Zusammenarbeit des IfS mit den Identitären sein. So vermitteln die Identitären nach außen hin den Anschein einer Jugendbewegung, die mit kreativen und spontanen Aktionen auf sich aufmerksam zu macht.
Das Verkleben von Aufklebern, das Auftauchen auf einer Veranstaltung in Frankfurt unter dem Motto „Multikulti wegbassen“ wirken spannender als vom Bier durchtränkte Vortragsabende auf dem Haus der örtlichen Burschenschaft.
Die Inhalte der Identitären sind dabei alles andere als neu. „Unser Land, unser Blut, unsere Identität“ stehen gegen eine „erzwungene Rassenmischung“, heißt es in der sogenannten „Kriegserklärung“ der Identitären von Oktober 2012. Als Feinbild dienen „die Alt 68er“ und die „moderne Gesellschaft“, die ihre Identität und Moral verloren habe. Die Phrase „100% Identität – 0% Rassismus“ ist dabei schlichtweg eine Lüge. Die Identitären entwerfen ein Szenario eines bald untergehenden Europas und der weißen Rasse aufgrund von Überfremdung Eine durchweg rassistische Position, die sich von denen der extremen Rechten keineswegs unterscheidet.
Karben – Was ist denn hier los?
Dass die Identitären nun einen Ort haben, an dem sie neue politische Aktionen planen können und die Möglichkeit haben sich auszutauschen, scheint nicht nur für sie, sondern für die gesamte Rechte im Rhein-Main Gebiet einen hohen Stellenwert zu besitzen.
Bei der Gründung eines Karbener Bürgerbündnisses gegen die Projektwerkstatt, an der mehrere hundert BürgerInnen teilnahmen, waren auch etwa 30 Personen anwesend, welche dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. Neben Andreas Lichert und Achim Sommerbach, die vor dem Bürgerhaus Flugblätter verteilten, ließen sich auch Daniel Lachmann und Stefan Jagsch von der hessischen NPD kurz blicken. Im Bürgerhaus meldeten sich reihenweise Unterstützer der Projektwerkstatt zu Wort und schafften es, durch die „Wortergreifungsstrategie“ die Veranstaltung nachhaltig zu stören.
Andreas Lichert scheint der Gegenwind aus der Bevölkerung gegen seine Projektwerkstatt nicht kalt zu lassen. Mit Flugblättern an die Karbener BürgerInnen hofft er deren Akzeptanz zu erlangen. Außerdem betont er in einer Erklärung, dass keine institutionelle Verbindung zwischen der Projektwerkstatt und den Identitären bestehe.
Mit dieser Strategie handelte sich Lichert direkt Kritik von seinem Mitstreiter Götz Kubitschek ein. In einem Artikel „Ungefährlich? – Eine Gegenrede“ auf dem Blog von Sezession tadelt Kubitschek die Anbiederung an die lokale Bevölkerung und die damit einhergehende Weichspülung der eigenen Positionen.
Es bleibt abzuwarten ob die Projektwerkstatt dem öffentlichen Druck standhält und weiter bestehen wird. Sollte sich das Zentrum von Andreas Lichert behaupten, wäre dies für die neue Rechte ein nicht zu unterschätzender Erfolg.
Bei der Gründung des Bürgerbündnisses in Karben zeigte sich deutlich aus welchen Kreisen die SympathisantInnen der Projektwerkstatt und der Identitären stammen.
Weit entfernt von der selbst propagierten „Jugendbewegung“, weit entfernt davon, überhaupt eine Bewegung zu sein, finden sich hinter dem Lambda lediglich die zusammen, die schon seit Jahren versuchen rechte Politik voranzutreiben. Wie lange dies den ewiggleichen Protagonisten Freude bereiten wird, bleibt abzuwarten.