Rechtsterroristische Bestrebungen in Hessen Teil 5 – Peter Naumann: das „Bombenhirn“ aus Wiesbaden

Peter Naumanns Aktivitäten in der extremen Rechten begannen 1970, als der damals 18-jährige aus Wiesbaden in die NPD eintrat. 1972 wurde er zum Vorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten Wiesbaden gewählt, ab 1973 vertrat er die NPD-Jugendorganisation im Bundesvorstand.

Peter Naumann bei einem Aufmarsch in Altenkirchen (Rheinland-Pfalz) im Jahr 2001.

Peter Naumann bei einem Nazi-Aufmarsch in Altenkirchen (Rheinland-Pfalz) im Jahr 2001.

Von 1981 bis 1984 übernahm Naumann den Vorsitz des Kreisverbands der NPD in Wiesbaden, zunächst kommissarisch, später als Stellvertreter. Zu diesem Zeitpunkt hatte Naumann bereits mehrere Sprengstoffanschläge verübt. Seine Affinität gegenüber Sprengstoff fiel den Behörden bereits 1974 auf. Naumann verlor beim Hantieren mit Sprengstoff drei Finger der rechten Hand. Ein Feuerwerker verlor zudem bei dem Versuch, von Naumann gebastelte Bomben zu entschärfen, das Leben.

Seinen ersten Sprengstoffanschlag verübte Naumann gemeinsam mit dem mutmaßlichen Gladio-Mitglied Heinz Lembke 1978 in der Nähe von Rom. Ziel des Anschlages waren Denkmalanlagen in den Fosse Ardeatine, die an die Erschießung von 335 zivilen Geiseln 1944 durch die SS erinnerten. Ein Jahr später folgten ein Sprengstoffanschlag auf eine NVA-Einrichtung nahe Fulda sowie die Sprengung von Fernsehmasten zur Verhinderung der TV-Serie „Holocaust“.

Gemeinsam mit  Odfried Hepp und Walter Kexel (siehe Teil 4 der Reihe) plante Naumann 1982 die gewaltsame Befreiung von Rudolf Heß aus dem Spandauer Gefägnis. Aufgrund interner Differenzen wurden die Pläne jedoch nicht ausgeführt.

1985 gründete Naumann den Völkischen Bund (VB), den er als konspirative Gruppe eng mit dem radikalen Flügel der hessischen NPD verzahnte. Ein zentrales Ziel des VB war es, junge Neonazis militärisch zu schulen. Schon damals galt Naumann in der Neonaziszene als „Bombenhirn“. Naumann wurde immer wieder als Ausbilder für rechtsterroristische Kreise genannt. Auch die Köpfe der Hepp-Kexel-Gruppe ließen sich nach Aussage von Odfried Hepp von Naumann im Bombenbau schulen.

Nicht abschließend geklärt werden konnte, ob auch zwei junge Neonazis aus dem Main-Taunus-Kreis zu Naumanns Lehrlingen zählten, die 1987 wegen eines versuchten Sprengstoffanschlages in Frankfurt festgenommen wurden. Die damals 18 und 19-jährigen Mitglieder der NPD und der Wiking-Jugend Hessen hatten einen Sprengsatz in einem Gepäckschließfach im Frankfurter Hauptbahnhof deponiert. Gefunden wurde der Sprengsatz eher zufällig. Die Ermittler hatten einen der Täter wegen anderweitiger Delikte observiert. Die Ermittlungen ergaben, dass die Aktion als Rache für den vermeintlichen Mord an Rudolf Heß gedacht war. Der einstige Stellvertreter von Adolf Hitler hatte eine Woche zuvor in Spandau Selbstmord begangen.

Im Oktober 1987 wurde Naumann – vor allem aufgrund der Aussagen von Odfried Hepp – wegen der Sprengstoffanschläge von 1979 verhaftet. Im Rahmen der Festnahme wurden Sprengstoff, Chemikalien sowie Zeitzünder sichergestellt. 1988 wurde Naumann schließlich vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen „versuchter Gründung einer terroristischen Vereinigung“ und „Verstoß gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz“ zu 4 ½ Jahren Haft verurteilt. Im Dezember 1990 wurde Naumann jedoch vorzeitig entlassen.

Abkehr vom Terrorismus und die Frage nach Verbindungen zu Gladio

Nachdem im März 1995 in Naumanns Wohnungen in Wiesbaden und Frielendorf (Schwalm-Eder-Kreis) – unweit von Manfred Roeders „Reichshof“ – erneut Rohrbomben gefunden wurden, sorgte Naumann im August 1995 bundesweit für Aufsehen. Medienwirksam enttarnte Naumann – in Anwesenheit eines ZDF-Fernsehteams und Vertretern des BKA – 13 mit Waffen und Sprengstoff gefüllte Erddepots in Hessen und Niedersachsen. Darin befanden sich Handfeuerwaffen, 50 kg Sprengstoff, Gewehre, Handgranaten und umfangreiche Munitionsbestände. Die Offenlegung der Depots verband Naumann mit einem Postulat zur Abkehr vom bewaffneten Kampf und dem Bekenntnis zur „kämpferischen Gewaltfreiheit“. Die daraufhin eingeleitete Anklage wegen dem „Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung“ wurde 1998 zwar eingestellt. Naumann wurde jedoch wegen des „Verstoßes gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz“ sowie das „Kriegswaffenkontrollgesetz“ zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Ebenso wie im Fall der Waffendepots des Forstmeisters Heinz Lembke, wurde immer wieder spekuliert, ob es sich bei den von Naumann offen gelegten Depots um Hinterlassenschaften der Nato-Geheimorganisation Gladio handeln könnte. In einem von Lembke in der Lüneburger Heide angelegten Waffendepot wurden im Oktober 1981 156 kg Sprengstoff, 230 Sprengkörper, 50 Panzerfäuste, 258 Handgranaten, 13520 Schuss Munition sowie 15 zum Teil automatische Waffen und größere Mengen Sprengstoff gefunden. Die Waffen stammten aus Bundeswehrbeständen. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft konnte ein Fingerabdruck auf einigen Waffen Naumann zugeordnet werden. Wie Lembke und Naumann an die Waffen kamen, ist bis heute ungeklärt. Lembke kündigte zwar 1981 seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft an. Am Tag seiner geplanten Aussage, fand man ihn jedoch erhängt in seiner Zelle. Naumann schwieg über die Herkunft der Waffen in den Depots bis heute.

Zurück in der NPD

Nach dem Ende seiner Haft 1999 trat Naumann wieder der NPD bei. Aus dieser war er im Zuge seiner Anklagen wegen Sprengstoffattentaten 1987 ausgeschlossen worden. Für die NPD und zahlreiche Kameradschaften trat Naumann in der Folge als Redner und Referent auf. Ab Ende 2006 arbeitete für die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Dieses Engagement endete im November 2008, nachdem es zu einer Schlägerei zwischen Naumann und dem NPD-Abgeordneten Jürgen W. Gansel gekommen war.

Anmerkung:

Hessen gilt seit Jahren als eines der ruhigsten Bundesländer hinsichtlich extrem rechter Aktivitäten, Straf- und Gewalttaten. Dies versucht die konservative Landesregierung alljährlich mithilfe ihrer Statistiken zu unterstreichen. Der Mord an Halit Yozgat im April 2006 in Kassel und die vermeintlichen Kontakte des NSU zu dem in Hessen lebenden Rechtsterroristen Manfred Roeder haben jedoch das scheinbar beschauliche Hessen ins NSU-Licht rücken lassen. Ein Blick in die Geschichte macht zudem deutlich: in Hessen lassen sich schon seit Jahrzehnten militante und terroristische Aktivitäten beobachten.

Eine Dokumentation militanter und rechtsterroristischer Bestrebungen in Hessen in mehreren Teilen

Teil 1: Der Technische Dienst http://www.infobuero.org/2013/06/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-1-der-technische-dienst/

Teil 2: Manfred Roeder http://www.infobuero.org/2013/07/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-2-manfred-roeder/

Teil 3: Die Radikalisierung der extremen Rechten in den 1970ern  http://www.infobuero.org/2013/09/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-3-die-radikalisierung-der-extremen-rechten-in-den-1970ern/

Teil 4: Die Hepp-Kexel-Gruppe http://www.infobuero.org/2014/02/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-4-die-hepp-kexel-gruppe/

Teil 5: Peter Naumann http://www.infobuero.org/2014/10/rechtsterroristische-bestrebungen-in-hessen-teil-5-peter-naumann/

Teil 6: Die 1990er http://www.infobuero.org/2015/01/rechtsterroristische-betrebungen-in-hessen-teil-6-die-1990er/