Worms: Neonazis vs. Kirchenglocken

WORMS [Eigener Bericht] – Der größte europäische Naziaufmarsch fand die letzten Jahre regelmäßig in Dresden am Wochenende um den Jahrestag der Bombardierung der Stadt 1945 statt. Nachdem dies in den letzten zwei Jahren durch antifaschistische Massenblockaden verhindert worden war, wurde dieses Jahr nicht nach Dresden mobilisiert.
Eine von mehreren Ersatzveranstaltungen sollte in Worms stattfinden.

„Unsere Mauern brachen – unsere Herzen nicht“

140 Neonazis aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg reisten am 18. Februar 2012 zum vom Aktionsbüro Rhein-Neckar organisierten „Trauermarsch für die Opfer des alliierten Bombenterrors vom 13. Februar 1945 in Dresden und 21. Februar 1945 in Worms“ an. Sie kamen unter anderem aus dem Raum Ludwigshafen, Zweibrücken, dem Donnersbergkreis, Ried, Offenbach, Sinsheim und der Region Alzey-Worms.

Gegen 13 Uhr eröffnete der NPDler Klaus Armstroff die Veranstaltung mit dem Verlesen der Auflagen. Nach einem Redebeitrag dauerte es jedoch noch einige Zeit, bis der Zug sich begleitet von vier Trommlern in Bewegung setzen konnte. Mitgeführt wurden schwarze Fahnen und drei themenbezogene Transparente. Wie das vierte Transparent – „Freiraum erkämpfen“ – zum Anlass des Aufmarschs passen sollte, bleibt jedoch ein Rätsel. Gerade bei „Trauermärschen“ wird sonst sehr darauf geachtet, ein dem Anlass entsprechendes Bild zu bieten. Dazu gehört, dass nur schwarze Fahnen und thematisch passende Transparente mitgeführt werden, geschwiegen und nicht geraucht wird – keiner dieser Ansprüche wurde eingehalten.

Faschingssamstag in Worms

Eine Gruppe von sechs Neonazis hob sich optisch von den übrigen ab: Sie trugen schwarze Umhänge und führten ausgeschnittene Figuren mit, die vermutlich Bomben darstellen sollten. Einer trug eine Stange, an der das Gesicht von US-Präsident Barack Obama befestigt war.

Am Karlsplatz nahmen die Neonazis Aufstellung für ihre Zwischenkundgebung. Die Kirchenglocken der Lutherkirche machten ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Nach geraumer Zeit setzte Matthias Herrmann (Aktionsbüro Rhein-Neckar) mit einem mitgebrachten Megaphon zwar zu seinem Redebeitrag an, gegen das Geläut kam er jedoch nicht an. Nach wenigen Sätzen kapitulierte er.

„Ihr habt meine Trommel kaputtgemacht“

Die Glocken der Kirche hingegen läuteten auch nach einer halben Stunde noch. Verärgert und ohne Zwischenkundgebung, versuchten die Nazis nun, sich ohne Polizeibegleitung auf den Rückweg zu machen. Da die Polizei damit nicht gerechnet hatte, konnten die TeilnehmerInnen der zwischenzeitlich formal aufgelösten Versammlung unter „LuNaRa“-Rufen (Ludwigshafen Nazis und Rassisten) auf die Straße stürmen. Den Rest des Weges wurden sie von einem Polizeikessel begleitet. Immer wieder gab es Rangeleien und Schlagstockeinsatz.

Wieder zurück am Bahnhof wurden die Nazis zu ihren Zügen begleitet und fuhren ab. Das Ergebnis des Tages: mindestens zwei Ingewahrsamnahmen und eine kaputte Trommel. Ein kurzzeitig von der Polizei „erobertes“ Banner durfte Matthias Herrmann letztendlich doch wieder mitnehmen.

Interne Mobilisierung

Für diese Ersatzveranstaltung für Dresden hatten die Neonazis nur intern mobilisiert, lediglich auf der Homepage des Nationalen Widerstands Zweibrücken wurde ein Ankündigungs-Flyer hochgeladen.

Die Stadt Worms hatte den angemeldeten Aufmarsch zuerst verboten. Als beim Verwaltungsgericht Mainz eine Beschwerde gegen das Verbot eingereicht wurde, ging die Stadt einem Rechtsstreit mit den Neonazis aus dem Weg und die Veranstaltung konnte auf einer Alternativroute stattfinden.

Neonazikundgebung 18.02.2012 Worms

Neonazis am 18.02.2012 in Worms

Neonazis aus Zweibrücken am 18.02.2012 in Worms

Matthias Herrmann redet beim Naziaufmarsch am 18.02.2012 in Worms

Hessische Neonazis am 18.02.2012 in Worms

Nach der Auseinandersetzung mit der Polizei - Neonazis am 18.02.2012 in Worms



http://www.infobuero.org/2012/02/18-februar-wollen-neonazis-in-worms-marschieren/