Verloren im Flächenland: NPD und Neonazi-Szene in Rheinland-Pfalz

Man kann nur bedingt von einer rheinland-pfälzischen Neonazi-Szene sprechen, da die einzelnen Gruppen nur in geringem Maße auf Landesebene zusammenarbeiten: Sie orientieren sich eher an den Strukturen der Nachbarländer; die einzige auf Landesebene agierende Neonazi-Struktur ist der Landesverband der NPD. Die jeweilige Zusammenarbeit mit diesem Verband verbindet zugleich auch die meisten »freien« Strukturen miteinander.

Dass sich Neonazis nicht an Bundeslandgrenzen orientieren, ist nichts Neues. In kaum einem Bundesland ist das aber so ausgeprägt wie in Rheinland-Pfalz. Kein Wunder, wurden 1946 im neu geschaffenen Bundesland doch Regionen zusammengefasst, die zuvor kaum etwas miteinander zu tun hatten. So war beispielsweise Koblenz im Norden Teil des preußischen Rheinlandes gewesen, die Landeshauptstadt Mainz dagegen hatte zum Volksstaat Hessen gehört. Diese »Verbundenheit« hält bis heute an: Die Neonazis um Koblenz pflegen einen engen Kontakt zu denen im Rheinland. Die »Nationalen Sozialisten Mainz/Bingen« agieren sehr oft gemeinsam mit den Strukturen in Hessen, während sich Neonazis im südlichsten Teil von Rheinland-Pfalz nach Baden-Württemberg und dem Saarland orientieren.

Die NPD Rheinland-Pfalz heute

Zu gerne würde die rheinland-pfälzische NPD an den Erfolg von 1967 anknüpfen, als sie 6,9 Prozent der Stimmen erreichte und mit vier Sitzen in den Landtag einzog. Auch wenn dieses Ziel in weiter Ferne liegt, so hat sich der Landesverband doch in den letzten Jahren restrukturiert und neues Personal rekrutiert. In erster Linie war es die Vorbereitung auf die Landtagswahl 2006, die Bewegung in den damals zerstrittenen und kaum handlungsfähigen Landesverband brachte. Peter Marx übernahm im Februar 2005 den Landesvorsitz. Da der bundesweit aktive Multifunktionär Marx an der rheinland-pfälzischen Basis eher selten anzutreffen ist, liegen große Teile der Organisation des Landesverbandes in den Händen von Sascha Wagner. Reisekader Wagner kehrte 2005, nach einem Aufenthalt in Sachsen, wo er die NPD beim erfolgreichen Wahlkampf 2004 unterstützt hatte, zurück nach Rheinland-Pfalz und fungierte zunächst als Landeswahlkampfleiter.

Für Inhaltliches hingegen ist vornehmlich der Trierer Safet Babic zuständig. Babic tritt als redaktionell Verantwortlicher der Homepage des Landesverbandes und als Pressesprecher in Erscheinung. Im Mai 2007 veröffentlichte die rheinland-pfälzische NPD die Schülerzeitung »Schinderhannes«, für die Babic verantwortlich zeichnet. Nach Angaben der Partei wurde das achtseitige Heft in einer Auflage von 10.000 Exemplaren an Schulen des Bundeslandes verteilt.

Neben Marx, Wagner und Babic tritt in den letzten Monaten eine weitere Person in den Vordergrund des Parteigeschehens: »Landesorganisationsleiter« Markus Walter. Für überregionale Schlagzeilen sorgte Walter allerdings schon in den 1990er Jahren als Pirmasenser Ortsgruppenleiter der »Aktion Sauberes Deutschland«. Mitglie-der dieser militanten neonazistischen Splittergruppe waren für eine Reihe von Schändungen jüdischer Friedhöfe verantwortlich. Walter wurde unter anderem für die Verwüstung des jüdischen Friedhofes in Busenberg bei Pirmasens zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Heute steht er dem NPD-Kreisverband Südwestpfalz vor und hat in dieser Funktion bereits verschiedenste Veranstaltungen wie Aufmärsche, Sonnwendfeiern oder »Rednerveranstaltungen« in der Region um Pirmasens organisiert. In seiner Funktion als »Landesorganisationsleiter« tritt Walter auch als Redner auf, so bei einem Doppelaufmarsch in den rheinhessischen Dörfern Saulheim und Wörrstadt.

Die Suche nach einem »nationalen Zentrum«

Gleich mehrere Versuche gab es von Seiten der NPD, in Rheinland-Pfalz ein »nationales Zentrum« zu errichten. Im Jahr 2002 sollte im pfälzischen Elmstein ein »Schulungszentrum Südwest« entstehen. Nach kurzer Nutzung, unter anderem für Konzerte, brannte das Haus in der Nacht vor der geplanten Unterzeichnung des Kaufvertrages aus. Danach blieb es zunächst ruhig um das Projekt »nationales Zentrum« – bis zu Sascha Wagners Rückkehr aus Sachsen.

Das nächste Objekt war die »Alte Gräflich Leininger Mühle« in Kirchheim bei Grünstadt in der Vorderpfalz. Das »Nationale Freizeit- und Schulungszentrum« wird seit Anfang 2006 von Neonazis aus dem Spektrum des »Aktionsbüro Rhein-Neckar« (ABRN) und der NPD gemeinsam genutzt. Der NPD fällt bei diesem Projekt offenbar eher die Aufgabe zu, als offizieller Ansprechpartner zu fungieren. Die schwerpunktmäßige Arbeit liegt bei den »Freien«, wobei personelle und organisatorische Schnittmengen zur NPD bestehen, prominentestes Beispiel ist Christian Hehl. Neben Rechtsrock-Konzerten, Schulungen und Kameradschaftsabenden wurde nach eigenen Angaben der Wahlkampf 2006 für die Pfalz von Kirchheim aus gesteuert. Im Mai 2006 brannte es auch in Kirchheim, wodurch ein Sachschaden von ca. 100.000 Euro entstand. Nachdem der Mietvertrag ausgelaufen war, verkündete der Landesvorsitzende Peter Marx im Juli 2006, dass seine Partei einen Kaufvertrag für die Immobilie abgeschlossen habe. Dieser Vertrag musste allerdings kurze Zeit später annulliert werden, da die NPD die gewünschte Kaufsumme nicht aufbringen konnte. Ob das Geschäft nur zum Schein geplant wurde, um die Summe für einen etwaigen Kauf durch die Gemeinde nach oben zu treiben, bleibt ungeklärt. Das Innenministerium in Mainz hatte der Gemeinde jedenfalls abgeraten, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, weil es davon ausging, dass es Absprachen zwischen NPD und dem Besitzer gab.

Trotz ausgelaufenem Mietvertrag und gescheitertem Kauf finden jedoch noch immer Veranstaltungen in Kirchheim statt, so im April 2008 ein »politischer Gesprächskreis« zum Thema »Pulverfass Nahost« und ein Konzert mit den Bands »Breakdown« und »Tobsucht«. Ein Aus für Kircheim scheint nicht in Sicht.

Im Sommer 2006 mietete Sascha Wagner die ehemalige Gaststätte »Zur Burg« in Altleiningen, das nur wenige Kilometer von Kirchheim entfernt liegt – angeblich für die nächsten fünf Jahre. In Altleiningen gab es jedoch kaum Aktivitäten. Die spektakulärste Veranstaltung fand im November 2006 statt, als ein Großaufgebot der Polizei das NPD-Haus stürmte und ein Konzert von Frank Rennicke auflöste.

Ende 2006 vermeldete die NPD plötzlich, dass sie die alte Dorfschule in Morbach-Gonzerath im Hunsrück als Schulungszentrum auserkoren habe. Innerhalb kürzester Zeit verlegte Wagner seinen Zweitwohnsitz nach Morbach. Im »Schinderhannes-Zentrum« sollten in erster Linie potenzielle KandidatInnen der NPD auf die Kommunalwahl 2009 in Rheinland-Pfalz vorbereitet werden. In der Region regte sich allerdings großer Widerstand gegen das NPD-Zentrum, so dass die Gemeinde von ihrem Rückkaufrecht Gebrauch machte.

Im März 2007 machte auch das fast schon in Vergessenheit geratene Anwesen in Altleiningen wieder von sich reden. Am Morgen des 23. März wurden – wieder einmal durch einen Brand – große Teile des Hauses zerstört. Nach dem Scheitern der Zentren in Gonzerath und Altleiningen bleibt abzuwarten, ob der Landesverband mit seinem aktuellen Projekt mehr Erfolg haben wird: In Dahn (Südwestpfalz) soll ein Schulungszentrum verwirklicht werden.

Die Abhängigkeit von einzelnen Kadern

Die meisten Kreisverbände der NPD Rheinland-Pfalz sind stark auf das Engagement einzelner Kader angewiesen. Zeiten besonders regen Aktivismus folgen nach dem Wegzug des jeweiligen Kaders häufig Phasen der Inaktivität. Ein Beispiel dafür ist der Kreisverband Rhein-Nahe, der die Kreise Bad Kreuznach und Birkenfeld und den Donnersbergkreis umfasste. Der Kreisverband wurde ab 2003 vom aus dem sächsischen Niesky stammenden Thomas Christgen übernommen, der zeitweilig in Bad Sobernheim wohnte. Während seiner Zeit zunächst als »Ortsbereichsleiter« für Bad Kreuznach und dann als Vorsitzender des Kreisverbandes entwickelte dieser eine im Vergleich zu vorher gehenden Jahren geradezu hektische Aktivität. »Rednerveranstaltungen« und »Liederabende« zogen nach Angaben Christgens zeitweilig über hundert Gäste an. Nach dem Wegzug Christgens ins Allgäu erlahmte die Aktivität des Kreisverbandes merklich. Der Verband wurde 2007 aufgelöst, angeblich wegen gestiegener Mitgliederzahlen und einer verstärkten Regionalisierung der rheinland-pfälzischen NPD. Die nach einer solchen Begründung erwartbare Verstärkung der Aktivitäten ist aber bei den Nachfolgeorganisationen, den Kreisverbänden Donnersberg und Naheland, nicht festzustellen.

Ein anderes Beispiel ist der Kreisverband Mainz-Bingen mit seinem zeitweiligen Vorsitzenden Mario Matthes. Das Mainzer Ehepaar Curt und Ursula Müller, jahrelang für die bundesdeutsche Neonazi-Szene überaus bedeutend und bis heute führend in der »Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener« (HNG), betrachtete den NPD-Kreisverband offenbar eher als politisches Stiefkind. Von NPD-Aktivitäten war in Mainz und Umgebung jahrelang kaum etwas zu spüren. 2005 übernahm Heinz-Jörg Zeitzmann den Kreisvorsitz. Zeitzmann, der eine Odyssee durch verschiedenste Parteien hinter sich hat und in Mainz als politischer Wirrkopf gilt, glaubte offenbar an ein demokratisches Element in der NPD, das er gegen den nationalsozialistisch orientierten Mainstream stärken wollte. Er wurde aber schon bald von einer Gruppe um Mario Matthes weg geputscht. Dabei scheute Matthes, so Zeitzmanns Darstellung, auch nicht davor zurück, dem amtierenden Vorsitzenden Gewalt anzudrohen.

Matthes stammt aus der Pfalz und war dort zuletzt im Zusammenhang des ABRN aktiv. Aus einer extrem rechten Familie stammend, gehört er zu den umtriebigsten AktivistInnen im Südwesten. Im Jahr 2005 zog er zum Studium nach Mainz. Die jahrelang nahezu inexistente Mainzer Neonazi-Szene entwickelte sich daraufhin merklich. Matthes und seine Freundin Miriam S. bauten mit den »Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen« eine Kameradschaftsstruktur auf, die im Zuge der Zusammenarbeit der NPD mit den »Freien« beim Landtagswahlkampf 2006 den Kreisverband Mainz-Bingen bestimmte. Im März 2007 legte Matthes sein Amt nieder und übergab es an eine Person, die kaum mehr als ein Platzhalter ist. Er wohnt mittlerweile in der Nähe der Mainzer Nachbarstadt Wiesbaden und hat faktisch die Macht im hessischen NPD-Kreisverband Wiesbaden/Rheingau-Taunus übernommen. Im April 2008 wurde er außerdem in den Landesvorstand der hessischen NPD gewählt. Vom Kreisverband Mainz-Bingen ist seitdem nur noch wenig zu vernehmen.

Wie auch in anderen Bundesländern ist die Neonazi-Szene in Rheinland-Pfalz in den letzten zwei Jahren auch von der Zusammenarbeit der »Freien« mit der NPD bis hin zum Eintritt diverser Kader in die Partei geprägt.

Jens Büttner und Tobias Hoff

Erschienen in Der Rechte Rand | Nummer 113 | Mai/Juni 2008