Rechtsrock-Sommersaison im Südwesten

…und wer dahinter steht: Neonazistische Netzwerke in der Pfalz

Zwei Neonazikonzerte im Juli und August zeigen die Heterogenität und den hohen Vernetzungsgrad der pfälzischen Neonaziszene. Während jenseits der Landesgrenze in Frankreich die selbsternannte Elite der Hammerskins mit der Masse feierte, kümmerten sich Neonazis, Rocker, Hooligans und NPD um die Durchführung eines Konzertes mit der Band Kategorie C. Der Neonazismus in der Pfalz konzentriert sich nicht auf einzelne Szenen, sondern er ist längst ein verbindendes und szeneübergreifendes Phänomen.

Von der Elite für die Masse

Die Anzahl der Besucher_innen des Konzertes am 9. Juli 2011 überraschte: Um die 2.500 Neonazis aus ganz Deutschland und den Nachbarländern waren mit Reisebussen und PKWs angereist, um einem Konzert beizuwohnen, von dem man am Tag zuvor noch nicht wusste, ob es nun in Belgien, Frankreich oder doch in Deutschland stattfinden würde.

Von einem Schleusungspunkt in Merzig, wo Hunderte Neonazis Teile der saarländischen Kleinstadt den Nachmittag über okkupierten, zog der Tross schließlich wohlgeordnet ins französische Rohrbach. In einer Sporthalle des 2.000 Einwohner_innen zählenden Ortes, kaum zehn Kilometer hinter der Grenze und 35 Kilometer von Saarbrücken entfernt, spielten unter dem Motto „Bonded by Blood“ die Bands Bound for Glory (USA), Brutal Attack (England), Frakass (Frankreich), die saarländische Band Jungsturm, die quasi als Gastgeber auftrat, sowie die Mönchengladbacher von Division Germania, die von vielen Besucher_innen als Hauptact gehandelt wurden.

Doch alleine mit der Bandauswahl lässt sich die hohe Anzahl der Besucher_innen für ein – wohlgemerkt konspirativ organisiertes – Konzert kaum erklären. Eher war es die Mobilisierungsfähigkeit des Veranstalters und das Vertrauen in den Veranstalter, das selbst Neonazis von der Ostseeküste bewog, die weite Reise nach Frankreich anzutreten: Die Hammerskins Westmark, die seit Jahren schon den Rechtsrock-Bereich im Saarland und im südlichen Rheinland-Pfalz dominieren und eine etablierte und impulsgebende Struktur der europäischen Hammerskins darstellen.

Die Hammerskins in der „Westmark“

Nicht nur die Hammerskins in der „Westmark“ (die historisch gesehen den von der NSDAP geplanten „Reichsgau“ Lothringen, Saarland, Rheinpfalz meint) entwickeln sich vom abgeschotteten Kreis zum florierenden Unternehmen. Große Reste der aufgelösten und zerschlagenen Strukturen des südwestdeutschen Blood & Honour-Netzwerkes, die sich nach dem Verbot im Jahr 2000 in regionalen Strukturen reorganisiert hatten, fanden und finden eine neue Heimat unter dem Dach der Hammerskins.

Zentrale Figuren des Netzwerkes der Hammerskins Westmark sind Torsten Staudacher, der vom saarländischen Bexbach aus um den Laden und Versand First Class Streetwear ein Rechtsrock- und Lifestyle-Business betreibt, in dem einige Unternehmen aus dem Kreis von Blood & Honour aufgingen, Frank Molina aus Saarbrücken, Frontmann der Band Jungsturm, sowie Malte Redeker aus Ludwigshafen, Betreiber der Gjallarhorn Klangschmiede, der als eine der Integrationsfiguren des deutschen Neonazirocks gilt. Die Konzerte, die der äußerst umtriebige Redeker in den letzten Jahren in den Sand gesetzt hat, lassen sich an nur einer Hand abzählen, und trotz häufiger Ermittlungsverfahren war der ehemalige Jura-Student für die Justiz bisher kaum greifbar.

Wer in den Hammerskins Westmark, analog zu Blood & Honour, hauptsächlich ein Label zum Geschäftemachen vermutet, der liegt falsch. Redeker gilt seit Jahren als Drahtzieher des Aktionsbüros Rhein-Neckar, einer etablierten und dynamischen Neonazistruktur in Südwestdeutschland, in der sich Kameradschaften, NPD und subkulturelle Szenen verbinden. Unter dem Symbol und Label einer Freien Bewegung formieren sich Hammerskins auf Aufmärschen und selbst wenn sich einzelne Personen aus dem Hammerskin-Milieu Rockerclubs anschließen, interessanterweise sowohl den Hells Angels als auch deren Rivalen Bandidos, so bleiben sie „ihrem“ politischen Kreis dennoch erhalten.

Fußball, Party und Partei

Keine 40 Kilometer von Rohrbach entfernt, im Lambsbachtal nahe Homburg/Saar, jenseits der Landesgrenze in Rheinland-Pfalz gelegen, fand fünf Wochen später, am 13. August 2011, das nächste große RechtsRock-Event statt. Die extrem rechte Bremer Hooligancombo Kategorie C (KC) spielte vor zirka 1.000 Besucher_innen.

Der Konzertort, ein abgelegenes Wiesengelände im Lambsbachtal nahe Bechhofen, das im Besitz von Detlef Walk, Anführer der pfälzischen Kameradschaft Zweibrücken, ist, diente bis dato unter anderem als Austragungsort der „Wikingerspiele“, zu der die Kameradschaft Zweibrücken alljährlich überregional einlädt. KC hat unter pfälzischen Neonazis einen großen, treuen Fankreis, was vor allem in der Verbundenheit weiter Teile der regionalen Neonaziszene mit dem Bundesligaverein 1. FC Kaiserslautern begründet ist. Einzelne Fankurven im Fritz-Walter-Stadion, vor allem die, die von den Hooligantruppen Rot-Front und First Class beherrscht werden, dienen seit Jahren als Schmelztiegel zwischen Fußballfans und Neonazis und als Rekrutierungsstelle für den neonazistischen Szenenachwuchs.

Mindestens einmal im Jahr erscheint KC zum Konzert. Tauchte in der Vergangenheit unter anderem. der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Sascha Wagner, der sich derzeit in der Fanszene des Oberligisten FK Pirmasens profiliert, im Kreis der Veranstaltenden von KC-Konzerten auf, so sind es heute die Hooligans von Rot-Front Kaiserslautern, die zu den KC-Konzerten einladen. Nachdem der ursprünglich vorgesehene Veranstaltungsort für den 13. August gekündigt worden war, sprang die NPD Westpfalz um Sascha Wagner in die Bresche und bemühte sich um einen Ersatzort.

Alte Bekannte und massenhafter Nachwuchs

Als Mit-Veranstalter von KC-Konzerten trat in den letzten Jahren namentlich Ralf Schütthelm („Schüttler“) auf. Antifaschist_innen ist er ein alter Bekannter. Schon in den 1990er Jahren stand der heute 39-Jährige, damals in Speyer wohnhaft, als Angehöriger des harten Kerns der Neonazi-Szene im Fokus antifaschistischer Aktionen. Er zählt seit vielen Jahren zu den Anführern der Rot-Front-Hooligans und ist zudem Exponent des Rockerclubs Gremium MC im Raum Kaiserslautern.

Ein weiteres Bindeglied zwischen Neonazi-Szene, Rocker-Szene und Hooligans ist Bernd Leis aus Kaiserslautern, der sich in den 1980er und 1990er Jahren unter den Namen „Stahli“ bzw. „Stalin“ als Anführer der Kaiserslauterer Hooligans bundesweit einen Namen machte. Im Gegensatz zu Schütthelm hielt sich Leis in frühen Jahren politisch „eher zurück“, doch seit zirka zwei Jahren tritt er offensiv auf neonazistischen Aufmärschen in Erscheinung. Leis ist das seltene Beispiel eines bald 50-Jährigen, der sich nach „wilden Jugendjahren“ in der Hooligan- und Skinheadszene schrittweise zurückzog, der Familienvater wurde und in der Rockergruppe Flying Horses MC ein altersgerechtes Rebellen-Label pflegte – und der nun seine neonazistische (Wieder?-)Erweckung erlebt.

Keine Entspannung in Sicht

Im Umfeld des 1. FC Kaiserslautern treten NPD und insbesondere die Kameradschaft Zweibrücken offensiv in Erscheinung. Wiederholt wurden auf der Route zum Stadion Informationsstände aufgebaut, Aufkleber platziert, Flugblätter verteilt. Eine Kundgebung von NPD und einem Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis 1. Mai unmittelbar vor dem Bundesligaspiel des 1. FC Kaiserslautern gegen den FC St. Pauli am 29. April 2011 am Kaiserslauterer Hauptbahnhof wurde von der Polizei rabiat gegen protestierende Antifaschist_innen durchgesetzt. Obwohl das rheinland-pfälzische Innenministerium in internen Lagebildern den Boom der Rockerclubs und insbesondere deren Durchsetzung mit Neonazis und Hooligans längst als größtes Problem der inneren Sicherheit im Bundesland benennt, läuft die Melange aus Neonazis, Hooligans und Rockern, die mit den Akteur_innen im jeweiligen Umfeld alleine in der Pfalz etliche hundert Personen umfassen dürfte, an der langen Leine der Behörden. Ein Problembewusstsein darüber ist weder bei lokalen Behörden feststellbar, noch in der Führungsetage des 1. FC Kaiserslautern oder in der regionalen Monopolzeitung Die Rheinpfalz.

Großkonzerte wie in Rohrbach und im Lambsbachtal sind das Schmiermittel, das die pfälzischen Neonazis, die sich in unterschiedlichen sozialen und kulturellen Milieus bewegen, zusammenhält. Dort finden sie ihre gemeinsame Erlebniswelt und Identität. Man organisiert und feiert zusammen, man kennt sich eben in der Pfalz.

Von Stephan Rauch

Übernommen aus: Lotta – Antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen,  #45 | Herbst 2011